Wer jetzt glaubt, dass gestandene Bühnenprofis dieses Gefühl längst hinter sich gelassen haben, der irrt. Selbst langjährige Schauspieler, Sänger, Redner oder Zauberer – kurzum: Die meisten, die vor Menschen auftreten – sind vor ihrem Auftritt total nervös. Egal ob Rede, Präsentation oder Prüfung.
Und das ist GUT so!
Lampenfieber – ist gut?
Ja, Lampenfieber ist ein echtes Geschenk. Es ist sehr WERTvoll für uns. Wenn wir in diesem Zustand sind, dann fokussiert unser Kopf auf das, was vor uns liegt. Der Körper schaltet in den Alarmzustand und durchblutet unser Gehirn optimal. Deswegen auch die gerne feucht-kalten Finger: Das Blut wird im Kopf dringender gebraucht. Sämtliche Hirnareale funktionieren perfekt und haben alles, was sie zur 100%igen Funktion benötigen. Für unseren perfekten Auftritt.
Genau deswegen sind mir eben auch diejenigen suspekt, die angeblich so gar KEIN Lampenfieber kennen. Entweder sie flunkern uns extrem glaubwürdig etwas vor – oder sie sind einfach ZU abgebrüht, um auf der Bühne noch wirklich spritzig, authentisch und sympathisch rüberzukommen. Oder sie wollen gar nicht „bestehen“…., ja, auch das gibt es.
Willkommen, Lampenfieber!
Ich persönlich „begrüße“ mein Lampenfieber übrigens herzlich. Weil es mich in den Zustand versetzt, gleich einen tollen Auftritt hinzulegen. Sollte ich einmal kein Lampenfieber mehr verspüren, dann wird es Zeit, von der Bühne abzutreten – oder etwas gänzlich Neues zu wagen. Außerhalb der dann aktuellen Komfortzone. Um wieder zu spüren, wie aufregend und toll so ein Auftritt sein kann. Oder wie befriedigend eine bestandene Prüfung ist. Oder auch, dass mir mein Publikum eben doch mehr am Herzen liegen sollte …
Lampenfieber fehlt, wenn uns etwas wenig „bedeutsam“ erscheint.
(SCH)Lampenfieber
Nein, das ist keine Abkürzung für „sch…. Lampenfieber“, sondern ich meine tatsächlich SCHLAMPENFIEBER. Denn genau DAS befällt diejenigen, die einfach bloß schlecht vorbereitet auf die Bühnen dieser Welt stapfen. Die plötzlich feststellen, wie wenig Ahnung sie von ihrem Thema haben. Die bei der Vorbereitung schlicht … geschlampt haben. Also die, die wir als Redner – aus Sicht eines Zuschauers – keinesfalls auf der Bühne ertragen wollen:
…die sich an überfrachteten PowerPoint-Folien lang hangeln, weil das alle so machen
…die ihr Zeitmanagement aus den Augen verlieren
… die Zuschauer schon nach nur fünf Minuten bei Folie Nummer 47 zu Tode langweilen
…die keinen Blick für das erkennbare Feedback aus dem Publikum haben
…die monoton reden, ständig „ähem“ sagen und merklich unklar darüber sind, was sie eigentlich sagen wollen
…die keine echte „Botschaft“ rüberbringen, sondern nur ihren Text (am besten noch abgelesen…) abspulen
…die mit ihrer Technik so vertraut sind, wie meine Urgroßmutter mit einem Wakeboard
…die einen FlipChart-Ständer mit einem Kleiderständer verwechseln und ihn maximal zum Aufhängen des Jacketts verwenden
…die auf Fragen der Teilnehmer hektisch, hilflos und mit großen Knopfaugen reagieren
…die stundenlang reden – aber nix zu sagen haben
…die wie angetackert hinter einem Rednerpult (rabähhhh – das ist eine absolutes no go!!!) stehen
…die wie ein wildgewordener Tiger im Käfig von rechts nach links – und zurück – über die Bühne tigern…
Feuchte Flecken unter den Armen
Denen aus dieser Liste möchte ich zurufen: Hach – das geschieht Euch zu Recht! Ihr habt es in keiner Weise anders verdient. Los – ich will Euren Achselschweiß sehen. Denn Ihr handelt so respektlos, dass es kracht. Schlampige Vorbereitung muss sich einfach rächen. So, dass es weh tut. Dass die Teilnehmer einschlafen, gähnen oder den Raum verlassen.
Überhaupt: Wieso ertragen wir so viele schlechte Redner? Warum zeigen wir ihnen nicht einfach, dass sie mit ein wenig mehr Lampenfieber vielleicht doch besser gewesen wären – indem wir einfach aufstehen und raus gehen? Diese Menschen vergeuden unsere Lebenszeit. Dürfen wir uns da eigentlich nicht wehren?
Wie sagt doch meine geschätzte Kollegin, Redeprofi Katja Kerschgens, gerne:
„Reden straffen – statt Zuhörer strafen!“
Genau das ist es: Gute Vorbereitung. Und die fängt beim „Produkt“, also dem Redeinhalt, dem Lernstoff oder dem Zauberkunststück an. Doch dann folgen jede Menge kleiner und kleinster Details, die über den Erfolg entscheiden – vom eigenen Wohlbefinden, dem Raum, dem Wetter, den Kollegen. Bis hin zu den technischen Gegebenheiten.
Nichts ist für mich schlimmer, als ein unangenehm schlecht sitzendes Mikrophon, welches die ganze Zeit meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die dann für den Auftritt fehlt. Oder die Unruhe im Saal, weil der Chef vorher unangenehme Nachrichten verkündet hat – und ich die Gruppe erst einmal für mein Thema gewinnen darf.
Was es also keinesfalls zu missachten gilt: Sorge für die für DICH bestmöglichen Rahmenbedingungen. Mit Bordmitteln – also allem dem, was Du im Raum/ dem Veranstaltungsort vorfindest. Oder mit dem eigenen Ausstattungskoffer: Da sind bei mir immer auch Verlängerungskabel, Mehrfachsteckdose, Klebeband, Moderationskarten samt -stiften, Reisszwecken, Ersatzstrumpfhose, Haarspray (damit kann man notfalls auch was ankleben…), Lutschbonbons (gegen trockenen Hals) und alles die Dinge drin, die mir vor Ort fehlen könnten. Sogar ein bis zwei Schokoriegel gegen plötzlichen Blutzuckerabfall sind darin wohlverpackt.
Ich habe inzwischen längst meine eigene 1,5-Liter-Wasserflasche mit stillem, ungekühltem Wasser und einen Kunststoffbecher dabei. Denn zimmerwarmes Wasser gibt es oft nicht. Und Gläser „knallen“ so auf nackten Oberflächen, wo der Plastikbecher leise aufsetzt. Und Bizzelwasser macht … „Bööööörps“!
10 + x stresserprobte Tipps – gegen Lampenfieber
- Bereite Dich bestmöglich vor. Dazu gehört auch, Dir den Raum vorher (sofern möglich) anzusehen und Dich mit den Gegebenheiten vertraut zu machen
- Packe Dir – auch online – einen persönlichen „Notfallkoffer“, dessen Inhalt Dir mehr Sicherheit vermittelt
- Gewinne einen Teilnehmenden fürs Zeitmanagement: Mittels einer grünen Karte (noch 10 min), einer gelben Karte (noch 5 min) und einer roten Karte (JETZT zum Ende kommen) unterstützt er Dich.
Oder Du stellst Dir eine Uhr gut sichtbar auf… - Kürze Deine Rede/ Präsentation/ Vortrag auf ein Minimum – länger geht immer, kürzer ist schwer
- Bevor Du auf die Bühne gehst: Dreimal gaaaanz tief ausatmen. Noch tiefer. Da geht noch was, wetten? Das weitet Deinen Brustkorb und senkt DeineTonlage. Hilfreich, weil wir unter Nervosität gerne flach atmen und damit unsere Stimme „hochzieht“
- Suche Dir „Verbündete“ – also Menschen, die Dir während Deiner Präsentation oder Deinem Vortrag mit den Augen „Feedback“ geben
- Lasse von vorneherein Fragen zu. Denn das gibt Dir immer wieder Luft zum nachdenken, durchatmen und – schlimmstenfalls – dezenten Neustart.
- Habe einen „roten Faden“, an dem Du Dich und Deine Teilnehmenden entlang führen kannst (die notwendigen Techniken dazu kann ich Dir gerne vermitteln…)
- Üben vor dem Spiegel. Üben nochmal – vor der Kamera. Und nochmal vor Freunden. Und nochmal vor anderen Menschen. Und nochmal im Tiefschlaf….
- Begrüße das Lampenfieber als Deinen Freund. Seien Dir bewusst, dass Du gerade keine Ausnahme bildest, sondern einer höchst gesunden Regel folgst
- Schaffe Dir Rituale, die Dir den Start erleichtern. Da gibt es zum Beispiel die „Power-Pose“ (wenn Du wissen willst, wie die geht: Frag´ mich doch einfach!)
- Bleibe bei Dir selbst. Es geht immer schief, wenn Du jemanden zu imitieren versuchst, dessen Verhalten Dir fremd ist. Und sei er noch so ein toller Profi
- Begegne Deinem Publikum – persönlich, wie online – auf Augenhöhe. Physisch und inhaltlich. Also weder als abgehobener Experte (von oben herab), noch als graues Mäuschen (von unten, sich klein machend).
- Inhaltlich formuliere bitte so, dass auch „Omma Gertrud aus Korschenbroich“ Dir leicht folgen könnte. Auch Führungskräfte kennen keineswegs jedes Thema aus dem effeff!
- Bedenke, dass die meisten Menschen tatsächlich mehr Angst davor haben, eine Rede halten zu müssen, als zu sterben. Kein Scherz! Du bist also keinesfalls allein … und jeder, wirklich jeder, versteht Deine Nervosität. Du darfst es auch einfach klar zugeben – das lässt Dich nahbar und sympathisch wirken.
Kurzum: Gute Vorträge verdienen gute Vorbereitung. In allen anderen Fällen gibt es eben – vollkommen zu Recht – mies gelauntes (Sch)Lampenfieber.
PS: Wenn Du vor dem ersten Date mit Deinem Traummann oder Deiner Traumfrau so richtig dolle Lampenfieber haben solltest, dann ist das kein Grund zur Panik. Denn dem anderen gehts genauso. Feuchte Hand trifft auf feuchte Hand – und keiner merkt´s beim anderen. Und Du? Du bist doch mit Sicherheit eh bestens vorbereitet. Und dann „klappts auch mit dem Nachbarn“…