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Angst gedeiht, wenn Du sie fütterst

Angst ist eine unserer - je nach Lehre - fünf bis elf Grundemotionen. Angst, das ist zunächst einfach ein Empfinden von Unsicherheit, Besorgnis und Nervosität. Ein Gefühl der Unheimlichkeit. Sie ist eine, an sich sehr gesunde, Reaktion auf Gefahr. Denn sie hilft uns, in bedrohlichen Situationen die Ursache einer Gefahr zu erknennen, auszuschalten oder ihr zu entkommen.

Es gibt zwei Arten von Angst: Die echte (Urangst) – beispielsweise vor Krankheit, einem Überfall oder einem Säbelzahntiger und die fiktive – vor dem offenen Hosenstall auf der Bühne, dem Zahnarzt oder der Prüfung. Beide Sorgen Angst wachsen, wenn Du sie fütterst.

Auf Angst – also auch auf das berühmt-berüchtigte Lampenfieber – reagieren wir als Lebewesen mit drei verschiedenen Reflexen:

1. Flight – also Flucht
2. Fight - also Kampf
3. Freeze – wir stellen uns tot

Wie das bei Reflexen nun mal so ist, können wir sie im Grunde kaum steuern. Schließlich müssen sie ja im Falle drohender Gefahr auch sofort aktiv werden, damit schnellstmöglicher Schutz für uns gegeben ist. Deswegen setzt das Hirn in solchen Fällen die Notfunktionen in Kraft. Damit alle Energie für Flucht oder Kampf bereitsteht. Das bedeutet: In dem Moment bekommt unser Hirn keine wertvolle Energie „zugeteilt“, es kann so nicht arbeiten.

Wenn Angst - in der Regel eher die fiktive Form - zu häufig die Oberhand über uns gewinnt, wird sie zur seelischen Störung. Dann mutiert sie gerne auch mal zum allgegenwärtigen Gemütszustand. Wer eine Angststörung entwickelt, der empfindet Ängste vielfach stärker, als eine gesunde Person. Angst wächst, wenn Du sie fütterst.

Angst: Auf Reiz folgt Reaktion

Wer Angst verspürt, ist zunächst kaum reaktionsflexibel. Warum? Unser Neanderthaler-Gehirn übernimmt bei Gefahr das Regiment - wir sind in dem Moment machtlos. Gesund ist es allerdings, wenn wir dann den Moment erkennen, sobald der Grund der Angst sich in Luft auflöst. Das ist normalerweise der Fall, wenn wir erkennen, dass die Angst im Grunde … unnötig war. Weil eben nix Schlimmes passiert.

Es ist der Moment, wenn wir erst einmal auf der Bühne stehen - und keine Buh-Rufe erschallen. Wenn wir beim Zahnarzt unseren Schmerz behandeln ließen - und die Angst vor dem Bohrer besiegt haben. Wenn wir bei der ersten Fahrstunde das Auto vor keine Wand gesetzt oder eine wichtige Prüfung gerockt haben. Solche Momente stärken uns und unser Selbstbewusstsein. Wir haben unsere Angst überwunden. Wir sind gewachsen.

Den Umgang mit der Angst … üben

Wichtig ist, dass wir unsere eigene Angst keinesfalls „füttern“. Gesunde Menschen spüren sofort den Moment, wenn eine Gefahr sich als keine Bedrohliche herausstellt. Dann können sie sich bewusst für eine andere Reaktion entscheiden. Weil die Hirnfunktion wieder „freigegeben“ und das Hirn wieder mit Energie versorgt wird. Das ist wichtig für uns. Denn wenn wir diese Option, der Angst zu begegnen, ungenutzt verstreichen lassen, verstärken sich Angstgefühle umso schneller.

Angst hat für Menschen einen Nutzen. Doch neben dem Nutzen, uns vor Gefahr zu schützen, pflegen zunehmend Menschen auch ihre Ängste. Weil diese ihnen einen persönlichen (im Grunde vermeintlichen) Gewinn bringen: Rücksichtnahme.

Rücksichtnahme gefordert

Wer Angst hat, den sollen wir schützen – so lernen wir von klein auf. Doch ich erlebe heute viel zu häufig, dass Menschen ihre Ängste – durchaus halbwegs bewusst – locker pflegen und umsorgen. Damit eben noch mehr Rücksicht auf sie genommen wird und ihnen eine Form der Beachtung geschenkt wird. Was ihnen in keiner Weise klar ist: Sie geben ihrer Angst so noch mehr Macht über ihr Leben. Und sie gehen anderen mit ihren kultivierten Ängsten auch manchmal gewaltig auf die Nerven.

Du hast Angst, dass Du vor Publikum rote Flecken am Hals bekommst? Na, dann wirst Du sie vermutlich bekommen. Du hast Angst, dass Du auf der Autobahnzufahrt keinen Zugang auf die erste Fahrspur bekommst? Okay, das wird dann auch schwierig. Du bekommst, was Du denkst. Das ist nunmal Murphys Law.

Murphys Law schlägt zu - und schürt Panik

Was schiefgehen kann, geht auch schief - wenn wir nur fest genug daran glauben. Wir erleben genau das, wo wir unsere Aufmerksamkeit hinlenken. Deswegen entwickeln wir dann unsere Angst - beispielsweise vor der schwierigen Autobahnauffahrt, mit der wir uns schwertun - unglücklich weiter. Und machen (übrigens entgegen den Verkehrsregeln) anderen schnellstmöglich in Richtung Mittelspur Platz, um ihnen die für uns unangenehme Situation zu ersparen. Nett gemeint - doch keineswegs gut gemacht.

Wir denken in Sachen Präsentation vor Publikum: Ich will nicht mit roten Flecken auftreten! Wir legen - auch im Hochsommer - einen Rollkragenpulli an oder einen dicken Schl um. Und schwupp gibt’s rote Flecken, weil der Kopf das „nicht“ leider übersieht und nicht 😉 versteht. Dabei hätte sich vermutlich niemand wirklich um unsere Hektik-Flecken geschert. Wir haben uns nur zu viele Gedanken darum gemacht, was andere von uns denken ... könnten.

Klar bekommen wir mit verbalisierter oder gezeigter Angst zunächst das Mitgefühl anderer. Doch irgendwann, wenn das Angstthema im Miteinander zu intensiv Raum greift, schlägt das Mitgefühl leicht in Genervtsein um. Weil die anderen wahrnehmen, dass derjenige seine Angst kultiviert. Statt sich darum zu bemühen, die Angst zu überwinden. Dann sinkt der Grad der Rücksichtnahme rapide. Und es braucht neue Ängste, um wieder das erhoffte Maß an Aufmerksamkeit zu bekommen. Ein Teufelskreis - der am Ende nur einem schadet: Dir.

Mit Übung zum Ziel - gegen die Angst

Aktuell erlebe ich eine zunehmend ängstliche Zahl von Menschen, die sich nur noch wenig zutrauen. Dabei sind viele Ängste angelernt: Wenn die Mutter Angst vor Wespen hatte, überträgt sie diese im Rahmen der Erziehung auf ihre Kinder. Wenn der Vater sich mit dem Auto nur auf Landstraßen traut, wird auch das Kind selten zum dynamischen Autofahrer. Wenn die Schwester beim Auftritt in der Schule verlacht wurde, wird das Geschwisterkind wohl kaum als Rampensau mutig auf die nächste Bühne springen. Wenn überfürsorgliche Eltern ihre Kinder auf 80 cm Höhe vom bekletterten Apfelbaum pflücken, weil es sich ja weh tun könnte - wie, bitte, soll dieses Kind jemals ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln? Es darf ja keine eigenen - positiven wie negativen - Erfahrungen machen. Es darf keine Grenzen testen und für sich ausweiten.

Und doch … kann es klappen. Insbesondere dann, wenn die Vorbilder mit ihrer Überangst manchmal auch einfach nur genervt haben. Dann wollen wir so nämlich nicht werden. Oder auch, wenn wir uns an anderen orientieren, die mutiger durchs Leben gehen. Es kann helfen, einen Mentor oder ein cooles Vorbild zu haben. Hier sind die viele junge (und ältere) YouTuber grandiose Vorbilder. Menschen, die vor der Kamera Dinge tun, die ihren eigenen Eltern sich das kaum getraut hätten.

Wenn Du also Deine Redeangst überwinden willst, dann stelle Dich ihr. Damit ist keinesfalls gemeint, sie zu verdrängen (im schlimmsten Fall gar mit Medikamenten oder „Substanzen“ aller Art), sondern Dich bewusst in Situationen begeben, an denen Du wachsen kannst. In Deinem Tempo und für Dich verträglich.

Mein "Jahr des Mutes"

Ich selbst habe für mich das Jahr 2013 zum „Jahr des Mutes“ ausgerufen und zu Silvester beschlossen: Dieses Jahr machst Du einfach alles, was sich Dir bietet und was außer deiner Komfortzone liegt. Das Ergebnis waren mehrere neue Vortragsformate wie PechaKucha und PowerPoint-Karaoke, ein Fallschirmsprung, Singen vor Publikum, Insekten essen, ein Food-Startup in die Welt bringen, meine eigene Website auf WordPress bauen und pflegen und vieles mehr. Ich habe kein einziges Mal gefragt: Traue ich mich? Will ich das? Sondern ist habe einfach … gemacht. Und mit dieser Entscheidung einen echten Lebensfreude-Boost ausgelöst. Ja, seitdem habe ich enorm an Selbtstbewusstsein zugelegt.

#Fuckeinfachmachen - Deine Pille gegen die Angst

Das ist der Name des grandiosen Podcast von Kerstin Wemheuer, in dem es auch darum geht, Deine eigenen Grenzen zu weiten und Neues zu wagen. Er ist eine Einladung an Deinen Mut. Ängste überwindest Du nämlich niemals mit Angst, sondern mit Mumm. Jede überwundene Angst lässt Dich wachsen und reifen.

Dein Selbstbewusstsein bekommt jedes einzelne Mal einen Mega-Kick, versprochen! Keine Bange – es müssen keinesfalls gleich die ganz großen Dinge sein. Fange klein an und weite Deine Komfortzone sanft und sukzessive. Das Buch Sachen machen von der bezaubernden Isabel Bogdan (gerade ist ihr Film zum Buch "DerPfau" mit u.a. Annette Frier im Kino zu sehen) mag Dir dabei als Inspiration dienen (war es für mich übrigens auch!).

Stolz erleben, statt Nerven kosten

Wenn Du Dich traust, dann wirst Du Deinem Leben wieder mehr "Leben" geben. Du weitest Deinen Bewegungsradius und Deinen Denkraum. Du gehst anderen nie mehr mit Deinen Ängsten auf die Nerven (ja, es kann andere sehr doll nerven!). Sondern wirst zum Vorbild für andere. Du entwickelst Charisma und innere Stärke. Du wächst als Persönlichkeit.

Kommen wir zurück zum offenen Hosenstall. Wir denken dann tausend Gedanken, dass andere es sehen und sich über uns lustig machen. Dass wir inkompetent wirken. Und weil wir gedanklich abgelenkt sind, werden wir inhaltlich fahrig und wirken in der Folge … vielleicht wirklich inkompetent.

Das geht auch anders: Nimm Dich einfach selbst nicht so ernst. Gehe souverän mit der Situation um und mache eine humorvolle Bemerkung, während Du den Hosenschlitz auf offener Bühne zuziehst: „Da sehen Sie deutlich, wie eilig ich es hatte, zu Ihnen hier in den Saal zu kommen - weil mir das Thema so wichtig ist!“ Oder: „Sehen Sie? Diese Hose steht mir – offen gestanden – besonders gut!“ Und dann … gehst Du lächelnd zurück zum Thema. Sachlich und kompetent. Niemand wird Dich jetzt auslachen, sondern alle werden Deine Gelassenheit in einer eigentlich peinlichen Situation bewundern. 

Du bist ständig auf Bühnen - fürchtest Du Dich?

Dein Alltag besteht aus hunderten Bühnen. Das erste Date und das berufliche Vorstellungsgespräch sowieso. Der erste Elternabend in der Kita, das erste Tennisdoppel mit neuen Gegnern, die erste Fahrstunde oder das Referat in der Schule. Alles das sind Bühnen, auf denen Du „wirkst“. 

Doch wie willst Du wirken? Fahrig-verhuscht und ängstlich? Oder lieber souverän und humorvoll? Es ist alleine Deine Entscheidung, was Du draus machst. Du kannst das jederzeit ändern.

Egal, was Du (noch) in keiner Weise kannst, aber können müsstest oder willst: Entscheide Dich, kein Mittelmaß sein zu wollen, sondern in die Oberliga aufzusteigen. Und dann … übe. Um zu einem Profi in einem Thema zu werden, braucht es rund 10.000 Stunden Übung. Klingt erstmal wahnsinnig viel. Doch bedenke: Du stehst seit Deiner Kindheit auf Lebensbühnen und Du redest seit Du ungefähr 15 Monate alt bist. Du fängst also bei Weitem keineswegs bei Null an.

Fahrradfahren, Autofahren oder Schwimmen hast Du auch durch ständige Wiederholungen gelernt. Das war oft mühsam, manchmal schmerzhaft und vielleicht sogar mal lächerlich. Doch Du hast nie aufgegeben und heute … denkst Du vermutlich nicht mal mehr darüber nach, wie es geht. Dein Körper hat es automatisiert, das Gefühl der Angst ist auf Null gesunken. Warum also übst Du nicht einfach immer wieder das, was Dir jetzt NOCH schwerfällt und bringst Dich so nach und nach in die Oberliga? 

Du kannst das! Ich glaube an Dich!

Du kannst das. Und das weißt Du tief in Dir auch. Mache Dir bewusst: 80 % unserer Ängste sind fiktiv. Deswegen steht die Angst selten in einem angemessenen Verhältnis zum tatsächlichen Gefahrenpotential. Wenn Du jetzt von Angst sprichst, könnte es also sein, dass da eine gewisse Bequemlichkeit mitspielt? Rücksicht von anderen zu erwarten, kann angenehm und nett sein – doch irgendwann wird es anstrengend. Für Dich und für Deine Mitmenschen.

Also: Was genau brauchst Du jetzt noch, um den nächsten Schritt zu gehen? Wer kann Dich dabei begleiten und Deine Hand halten, wenn es mal etwas „wackelig“ wird? Was IST Dein nächster Schritt? Welchen „Angstgegner“ nimmst Du nach dem Lesen dieses Blogposts in Angriff?

Schreib es in die Kommentare oder per eMail – denn so schaffst Du für Dich eine Form der Verbindlichkeit. Dein Gehirn wird darauf programmiert, dass Du es in Angriff nimmst.

Und wenn Du es Dir wünschst, unterstütze ich Dich gerne mit kleinen Aufgaben, stärkenden Übungen oder einfachem Handhalten auf diesem Weg. 


Bettina Schöbitz

Mentorin für packende Präsentation vor Publikum und Kunden - mit Mikro, Marker und Webcam. Damit Du Deine Teilnehmenden für Dich und Deine Themen begeisterst und selber ... Spaß daran hast.

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